Siedlungsgeschichte Böhmisches Dorf Zuflucht für glaubensverfolgte, böhmische Kolonisten Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde in Böhmen und Mähren durch eine große Erweckungsbewegung die alte böhmische Brüderkirche wiederbelebt. Diese war aus der evangelischen Glaubensbewegung der Hussiten entstanden. Gleichzeitig lebten aber auch die Verfolgungen auf, denen die Mitglieder dieser Glaubensrichtung bereits in den vorangegangenen Jahrhunderten ausgesetzt waren. Sie führten immer wieder dazu, daß Teile der Bevölkerung aus Glaubensgründen auswandern mußten und in anderen Ländern Aufnahme fanden.
Deutsch sprechende Mähren gründeten in der Oberlausitz 1722 den Ort Herrnhut und 1727 die Evangelische Brüdergemeine. In Großhennersdorf bei Herrnhut, in Gerlachsheim und Cottbus siedelten sich tschechisch sprechende Böhmen an. Aber auch dort waren die Zugewanderten nicht wohl gelitten. Deshalb wandte sich der Prediger der Groß-Hennersdorfer Böhmen, Johann Liberda, um Aufnahme an Friedrich Wilhelm I., den König von Preußen, der in der Vergangenheit bereits anderen, aus Glaubensgründen Verfolgten, Zuflucht gewährt hatte. Bald machten sich weitere Gruppen von Böhmen auf den Weg und fanden in Berlin Unterkunft, darunter auch die Gerlachsheimer, die sich kurzerhand den Cottbusser Böhmen angeschlossen hatten.
Die Gerlachsheimer nahmen das Angebot König Friedrich Wilhelm I. gerne an, sich auf dem von ihm 1737 gekauften Schulzengut zu Rixdorf anzusiedeln. In unmittelbarer Nähe des Dorfes wurden neun Doppelhäuser für je zwei Familien und die dazugehörenden Scheunen errichtet. Die achtzehn ausgewählten Familien mit ihren "Ein liegern" erhielten zusätzlich je zwei Pferde, zwei Kühe und Ackergerät und bildeten somit die Keimzelle des "Böhmischen Dorfes" in Rixdorf. Die übrigen Gerlachsheimer Böhmen blieben endgültig in Berlin.
Alte Karten aus dieser Zeit zeigen die neun giebelständigen Doppelhäuser, die auf der nordöstlichen Seite der heutigen Richardstraße nebeneinander errichtet wurden, und die dahinter liegenden ebenfalls giebelständigen Scheunen mit ihren Einliegerwohnungen. In einer zweiten Bebauungsphase 1748 bis 1751 wurden weitere 20 Büdnerhäuser an dem hinter den Scheunen verlaufenden Weg, der heutigen Kirchgasse, errichtet' so daß die Einwohnerzahl des Böhmischen Dorfes schnell anstieg. Im Jahre 1753 wurde in der Kirchgasse 5 das Schul- und Anstaltshaus errichtet. In diesem Haus wurde ein Jahr später der erste Versammlungssaal der Gemeinde eingeweiht. Ein eigener Betsaal der Brüdergemeine entstand 1761 in der Kirchgasse 14. Bereits 1751 erhielten die Böhmen einen eigenen Gottesacker, nachdem in den ersten Jahren noch der Friedhof der Rixdorfer Gemeinde mitgenutzt wurde.
Das schwere Brandunglück von 1849 veränderte das Gesicht des Böhmischen Dorfes grundsätzlich. Dem Brand waren nahezu alle Gebäude zum Opfer gefallen. Lediglich das alte Schul-- und Anstaltshaus und der Betsaal waren fast unversehrt geblieben. Der Wieder aufbau der Häuser, der mit vereinten Kräften begonnen wurde, erfolgte jetzt in Massivbauweise. Die Häuser wurden im Gegensatz zu vorher traufständig entlang der Richardstraße errichtet, die Scheunen ebenso entlang der Kirchgasse Einzige Ausnahme war das bis heute erhaltene Haus Richardstraße 80/81, das in der alten Form mit dem Giebel zur Straße wieder aufgebaut wurde. Die Büdnerhäuser aus der Kirchgasse wurden bis auf wenige Ausnahmen in die heutige Uthmannstraße verlegt. Das Dorf erholte sich schnell von den Folgen der Brandkatastrophe und wuchs in den folgenden Jahren weiter an. Am 1.1.1874 wurde das Böhmische Dorf, "Böhmisch-Rixdorf" mit "Deutsch-Rixdorf" zu einer Einheitsgemeinde "Rixdorf" zusammengelegt. Sie hatte ein Jahr später bereits über 15.000 Einwohner und stellte damit im Kreis Teltow den größten Ort dar. In das Wappen der 1899 gegründeten Stadt Rixdorf wurde der Hussiten-Kelch als Symbol der eingewanderten Böhmen aufgenommen. Damit wurde ihrer wichtigen Rolle innerhalb der Geschichte Rixdorfs Rechnung getragen. |